Silvie Aigner
Poesie der geheimnisvollen Zusammenhänge
Er hörte den Wind in den Lorbeerbäumen dicht neben der Veranda, ein Taxi, das hupend die Straße entlangfuhr, und die Stimmen von Kindern, die auf einem unbebauten Grundstück spielten. (..) Gleichzeitig hörte er von dem unbebauten Grundstück her ein Schlagholz, einen Baseball treffen und ein schrilles Geräusch auf spanisch. (Ernest Hemingway, Niemand stirbt wirklich)
I.
Raum und Zeit und die vielfältigen Möglichkeiten ihrer Wahrnehmung ist ein wesentlicher Aspekt im Werk von Rudolf Heller. Die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Realitäten und ihre unterschiedliche Interpretation charakterisierte schon die frühen fotografischen Radierungen, die aus der Beobachtung spielender Kinder am Brunnenmarkt in Ottakring hervorgegangen sind.
Den scheinbar harmlosen, genrehafte Szenen stellte Rudolf Heller Bilder mit Motiven gegenüber, die eine bedrohliche Stimmung evozierten. Die bis dahin liebliche Thematik kippte in eine andere Realität und stellte die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der gesehenen Wirklichkeit. Was geschieht gleichzeitig? Ein klein wenig Ö3 bei der Autofahrt – das Video zeigt Hellers Fahrt vom 18. Bezirk an die Copa-Kagrana – Statistiken im Autoradio, 20 Tote und vielleicht ebenso viele Geburten, niemand stirbt wirklich. Ob der rote Lieferwagen ein paar Minuten später überholt oder nicht – letztlich egal. Hellers Monologe – aufgenommen auf Video, visuell untermalt mit den optischen Eindrücken der Autofahrt – spielen mit dem Phänomen Zeit, vermitteln uns einen Eindruck von Gegenwart und Vergangenem aber vor allem erzählen sie von der Gleichzeitigkeit höchst unterschiedlicher Eindrücke. Alltagssituationen, in denen wir uns alle täglich befinden, die wir, so Rudolf Heller, gemeinhin vielleicht Leben nennen. Vielfältige Wirklichkeiten existieren gleichzeitig nebeneinander – auf Grund des subjektiven Erlebens können diese jedoch niemals identisch sein. Kann jedoch umgekehrt etwas, das von der äußeren Form gleich ist, sich zumindest was den optischen Eindruck anbelangt nicht unterscheidet, dieselbe Wahrnehmung evozieren? Was passiert, wenn diese beiden gleichen “Realitäten” aufeinander treffen?
II.
Die Doppelbilder Rudolf Hellers erwirken eben jene Fragestellungen. Bilder, die eine gleiche künstlerische Intention, einen gleichen Gedanken formulieren – Bildpaare, die in Bezug auf Farbgebung, Form und Größe vollkommen identisch sind. Doch sind sie nicht gleichzeitig entstanden. Gibt es einen Unterschied für den Betrachter? Ist es ohne Information durch den Künstler möglich zu erkennen, welches der beiden Bilder als Erstes entstand? Doch ist diese Frage überhaupt von Relevanz? Zunächst ist das Bild Träger einer auf die Fläche aufgebrachten Malerei – Farbflächen, einfachen Formen, Streifen, die an sich schon durch ihr Verhältnis zueinander die Komposition des Bildes bestimmen. Ihre endgültige Aussage erhalten sich jedoch erst durch die Nachbarschaft zum zweiten Bild. Durch das Zueinander entsteht zwischen den Bildern eine räumliche Dimension – tritt weiße Farbe stärker zurück oder verändert das Nebeneinander der Farbflächen die Wirkung der geometrischen Formen. Die beiden zueinander gesetzten Bilder ergeben so ein neues, gegenwärtiges Drittes. Das der Zeit immanente Davor und Danach ist im Malprozess enthalten.
Meinte nicht schon Adorno, Kunstwerke werden um so ähnlicher, je vollkommener sie durchgebildet sind bei sich selbst?
(...)
Den vollständigen Text erhalten Sie nach Anfrage per email zugesendet
Poesie der geheimnisvollen Zusammenhänge
– die Doppelbilder von Rudolf Heller
Er hörte den Wind in den Lorbeerbäumen dicht neben der Veranda, ein Taxi, das hupend die Straße entlangfuhr, und die Stimmen von Kindern, die auf einem unbebauten Grundstück spielten. (..) Gleichzeitig hörte er von dem unbebauten Grundstück her ein Schlagholz, einen Baseball treffen und ein schrilles Geräusch auf spanisch. (Ernest Hemingway, Niemand stirbt wirklich)
I.
Raum und Zeit und die vielfältigen Möglichkeiten ihrer Wahrnehmung ist ein wesentlicher Aspekt im Werk von Rudolf Heller. Die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Realitäten und ihre unterschiedliche Interpretation charakterisierte schon die frühen fotografischen Radierungen, die aus der Beobachtung spielender Kinder am Brunnenmarkt in Ottakring hervorgegangen sind.

II.
Die Doppelbilder Rudolf Hellers erwirken eben jene Fragestellungen. Bilder, die eine gleiche künstlerische Intention, einen gleichen Gedanken formulieren – Bildpaare, die in Bezug auf Farbgebung, Form und Größe vollkommen identisch sind. Doch sind sie nicht gleichzeitig entstanden. Gibt es einen Unterschied für den Betrachter? Ist es ohne Information durch den Künstler möglich zu erkennen, welches der beiden Bilder als Erstes entstand? Doch ist diese Frage überhaupt von Relevanz? Zunächst ist das Bild Träger einer auf die Fläche aufgebrachten Malerei – Farbflächen, einfachen Formen, Streifen, die an sich schon durch ihr Verhältnis zueinander die Komposition des Bildes bestimmen. Ihre endgültige Aussage erhalten sich jedoch erst durch die Nachbarschaft zum zweiten Bild. Durch das Zueinander entsteht zwischen den Bildern eine räumliche Dimension – tritt weiße Farbe stärker zurück oder verändert das Nebeneinander der Farbflächen die Wirkung der geometrischen Formen. Die beiden zueinander gesetzten Bilder ergeben so ein neues, gegenwärtiges Drittes. Das der Zeit immanente Davor und Danach ist im Malprozess enthalten.
Meinte nicht schon Adorno, Kunstwerke werden um so ähnlicher, je vollkommener sie durchgebildet sind bei sich selbst?
(...)
Den vollständigen Text erhalten Sie nach Anfrage per email zugesendet